Selbstreflexion und Achtsamkeit im Bullet Journal und Tagebuch

Was hat es eigentlich mit Reflexion und Journaling auf sich und warum ist das gerade in Zusammenhang mit Achtsamkeit und psychischer Gesundheit in aller Munde? Auf diese Fragen möchte ich hier gerne eingehen und dir die Selbstreflexion etwas näher bringen. Ich erzähle außerdem, warum ich bestimmte Claims aus der Coaching-Branche einfach nicht mehr hören kann und was mir das tägliche Journaling und regelmäßige Reflexion persönlich gebracht hat. Übrigens reflektiere ich sowohl in meinem analogen Bullet Journal als auch in digitaler Form auf meinem iPad mit der GoodNotes App.

» weitere Journaling Methoden

Achtsamkeit im Alltag durch Reflexion

Wir haben verlernt, achtsam zu sein und im Hier und Jetzt zu leben. Wir sind mit dem Kopf so häufig schon beim nächsten To-do, dass wir gar kein Gefühl mehr für unser Befinden haben. Geschweige denn für unsere Bedürfnisse. Außerdem laufen wir dadurch häufig auf Autopilot. So kriegen wir das, was wir gerade tun, gar nicht mehr richtig mit.

Das kann hilfreich sein, damit beispielsweise der Arbeitstag im Nu vorbeifliegt. Kritisch ist das allerdings, weil wir das nicht so gut bewusst steuern können, wie wir manchmal glauben. Unser Gehirn kann nämlich nicht so gut selektieren. Vereinfacht gesagt: Da es 24 h am Tag auf Hochtouren läuft, sucht es Entlastung, indem es funktionierende Muster auf möglichst viele (ähnliche) Abläufe anwendet. Dann muss es nicht jedes Mal neu entscheiden, wie etwas verarbeitet wird.

Da passiert es schnell, dass wir selbst die schönen und persönlichen Momente mit uns selbst oder unseren Liebsten nicht mehr richtig spüren und genießen, weil wir mental schon wieder 3 Schritte weiter oder mit der Aufmerksamkeit bei zu vielen Dingen parallel sind.

Journaling kann entschleunigen und deinen Fokus für das Hier und Jetzt schärfen. Hierfür empfiehlt es sich zu Anfang sogar mehrmals täglich zu reflektieren. Mögliche Reflexionsfragen in deinem Bullet Journal oder Tagebuch können sein:

  • Wie habe ich geschlafen und wie fühle ich mich morgens beim Aufstehen? Woran denke ich? Welche körperlichen Empfindungen kann ich spüren?
  • Wie geht es mir mittags? Womit habe ich bisher die meiste Zeit verbracht und welche Gefühle löst das in mir aus?
  • Woran denke ich, wenn der Tag vorbei ist und ich ins Bett gehe? Welche Emotionen, die im Tagesverlauf evtl. aufgekommen sind, kann ich immer noch spüren?

Emotionale Bestandsaufnahme durch Journaling

Apropos Emotionen. Ein ähnliches Muster können wir übrigens auch in unserer Gefühlswelt beobachten. Um heutzutage mithalten zu können und noch produktiver zu sein, denken wir oft, wir haben keine Zeit für unangenehme und demotivierende Gefühle, die uns ja eh nur Energie rauben.

Aber ich verrate dir gleich zwei „Geheimnisse“:

  1. Du kannst nicht nur einzelne (unangenehme) Gefühle wie Wut oder Angst unterdrücken. Das mag dir anfangs noch so vorkommen, aber mit der Zeit wirst du merken, dass dir auch die schönen Dinge nicht mehr so viel Freude bereiten wie früher. Du stumpfst emotional ab – und zwar komplett. Oft ist das der direkte Weg in die Depression. Was wörtlich übersetzt übrigens sogar Nieder-/Unterdrückung heißt.
  2. Gefühle sind so oder so da. Die einzige Entscheidung, die du hast, ist, ob du ihnen Raum gibst und somit auch die Möglichkeit, wieder zu gehen. Oder ob du sie in dir unterdrückst und damit für immer festhältst. Na ja nicht für immer. Nur so lange, bis dein (Gefühls-)Fass zu voll wird und überläuft. Was auch nicht selten zu einer psychischen Erkrankung führt, bei der du übrigens keine Entscheidungsfreiheit mehr darüber hast, was und wie du fühlen willst. Just sayin‘!

Also fühle alle deine Gefühle. Nimm dir bewusst und regelmäßig Zeit für die Selbstreflexion. Am besten hältst du für dein Bullet Journal oder Tagebuch eine kleine Sammlung mit Reflexionsfragen für dein tägliches Journaling bereit. Gib allen Gefühlen Raum. Bewerte nicht. Kategorisiere sie nicht in gut und schlecht. Lass sie einfach alle da sein. Frag sie vielleicht sogar im Geiste oder schriftlich in deinem Journal, warum sie da sind und welche Nachricht sie für dich haben. Beispielsweise muss Angst nichts Schwaches oder Schlimmes sein. Frage die Angst, wovor sie dich schützen möchte und ob du vielleicht noch nicht bereit bist, um die Schritte, die du dir vorgenommen hast, zu gehen. Möglicherweise hast du ja auch bereits eine schlechte Erfahrung bei einem ähnlichen Thema gemacht.

Durch Selbstreflexion die Beziehung zu dir selbst stärken

Arbeite mit einem Reflexionstagebuch, um dich selbst besser kennenzulernen. Das kann sich auf dein körperliches Wohlbefinden, deine emotionale Stabilität, Lebensplanung oder persönliche Entwicklung beziehen. Wähle Fragen fürs Tagebuch, um herauszufinden, wo du gerade stehst und wo du hinwillst – oder auch nicht hinwillst. Hinterfrage, ob du noch auf dem richtigen Weg bist oder dich eher von deinem Ziel entfernst. Wie du aus dem vorigen Kapitel über Achtsamkeit bereits weißt, verlieren wir das Gefühl für unsere Bedürfnisse und den Moment leichter, als wir denken.

Was dann passiert, ist, dass wir abdriften und uns ganz plötzlich im völligen Chaos befinden. Selbstverständlich fragen wir uns dann, wie das passieren konnte und fühlen uns der Lage hilflos ausgeliefert. Aber so plötzlich kam das in der Regel gar nicht und hilflos bist du auch nicht! Versprochen!

Schnapp dir was zum Schreiben, egal ob es ein Kuli oder Apple Pencil ist. Mach eine Liste mit deinem Ausgangspunkt. Dann eine mit deinen Zielen und Meilensteinen, die du auf dem Weg dorthin erreichen wolltest. Auf der letzten Liste nutzt du die Reflexion für deine aktuelle Situation. Vergleiche die Schritte und Maßnahmen auf den verschiedenen Listen. Schau dir genau an, wo du falsch abgebogen bist. Und dann leite korrigierende Schritte ein, um dich wieder deinem Ziel zu nähern.

Das musst übrigens nicht heißen, dass du dich wieder auf den gleichen Weg begibst. Möglicherweise hatte dein Abdriften einen Grund und du findest auf diese Weise einen neuen Weg zu deinem Ziel. Und vielleicht stellst du fest, dass das Abdriften sogar eine Abkürzung war und du bereits kurz vor dem Ziel stehst und es bloß nicht sehen kannst, weil du dich gerade von einer anderen Seite näherst.

Das ist natürlich nicht immer so easy, wie es sich gerade liest. Aber es soll dir zeigen, dass es durchaus möglich ist, dich durch Reflexion im Leben wieder oder neu zu orientieren, selbst wenn alles verloren scheint. Reflexionsfragen können dir helfen, den Ist- und Sollzustand abzugleichen und den Überblick zu behalten, damit du dich nicht selbst verlierst.

Dankbarkeit für die mehr und weniger offensichtlichen Dinge

Kommen wir zu einem (für mich) schwierigen Thema. Kein Begriff wurde meiner Meinung nach so sehr von (selbst ernannten) Life-Coaches durch den Fleischwolf gedreht und ausgelutscht wie Dankbarkeit. Keine Angst, es folgen definitiv keine übertriebenen „Sei dankbar, dass du heute aufgewacht bist, atmest, zu Essen und ein Dach über dem Kopf hast etc.“-Floskeln!

Vielleicht sind das Dinge, die für dich selbstverständlich sind, denn im Grunde sind das „nur“ Grund- bzw. Existenzbedürfnisse, die normalerweise noch nicht für grenzenloses Glück und Erfüllung sorgen. Vielleicht bist du aber tatsächlich glücklich und dankbar dafür, weil du schon mal obdachlos warst oder morgens aufgewacht bist und nicht gesund und unversehrt warst.

Was ich sagen will, ist: Du entscheidest, wofür du dankbar bist! Lass dir nicht einreden wofür du dankbar zu sein hast! Und fühl dich niemals unter Druck gesetzt, wenn du keine übertriebene Dankbarkeit für alltägliche Dinge empfindest. Ich stimme allerdings in dem Punkt zu, dass die meisten von uns mehr schöne Dinge im Leben haben, für die sie im Grunde dankbar sind, als wir in gewissen Momenten sehen können.

Ich bin psychisch krank und manchmal ist der Leidensdruck so groß und die Hindernisse im Alltag so zahlreich, dass sie mir schlichtweg die Sicht auf die Dinge versperren, die mich glücklich machen und die ich nicht missen will. Plötzlich sind die süßen Katzen, die ich über alles liebe, die nervigsten Geschöpfe auf Erden, wenn sie durch die Bude trampeln wie Elefanten und nach Aufmerksamkeit maunzen. Und freitags verfluche ich unsere wunderschöne, liebevoll eingerichtete, aber seeeehr große Wohnung, weil mich das Putzen so anstrengt, dass ich glaube, jeden Moment zusammenzubrechen.

Absolut alles kann schlimm aussehen, wenn man es durch die Brille der Angst oder Depression betrachtet.

Deswegen finde ich Dankbarkeitsjournaling wichtig. So habe ich schwarz auf weiß, das überhaupt nicht alles sch**ße ist!

Aber noch mal: Du entscheidest, wofür du dankbar bist! Und wenn du heute dankbar dafür bist, dass noch eine halbe Tüte Chips im Vorratsschrank ist, dann ist auch das völlig legitim! Und wenn du nicht dankbar dafür bist, dass Klopapier im Haus ist, dann ist das auch okay, selbst wenn das für viele Menschen nichts Selbstverständliches ist!

Fragen für dein Dankbarkeitsjournal können so lauten:

  • Was hat mir heute den Tag erleichtert?
  • Wobei konnte ich – wenn auch nur kurz – meine Sorgen vergessen?
  • Was in meinem Leben möchte ich nicht mehr missen?

In belastenden Lebensphasen kann es schwierig und demotivierend sein, aus jedem Tag etwas herauszuholen. Mir hilft es dann einen größeren Zeittraum zu betrachten und tägliche Journalingfragen gegen eine Wochenreflexion, Monatshighlights oder einen Jahresrückblick zu tauschen. Letzteres muss auch kein Kalenderjahr sein. Frage dich einfach: Wo stand ich vor einem Jahr an diesem Tag und was ist seitdem passiert?

Nachhaltige Selbstfürsorge durch Reflexion

Ich habe durch Reflexionsfragen außerdem herausgefunden, dass ich intuitiv eigentlich schon sehr viel für meine Selbstfürsorge tue, aber keine Erholung oder Energie aus dieser Ressource schöpfen kann, weil ich es wie ein To-do durchboxe – in Erwartung, dass die Saat auch unmittelbar Früchte tragen muss. Seit ich Dinge wie meine Me-Time Rituale oder Auszeiten nicht mehr automatisch abspule, sondern achtsam wahrnehme und mich dem Moment völlig hingebe, kann ich beispielsweise meine tägliche Yoga-Einheit viel bewusster genießen und habe dadurch außerdem einen viel nachhaltigeren Erfolg auf der psychischen Ebene.

Ich habe dadurch außerdem Akzeptanz gelernt und dass ich nicht alles, was ich tue oder fühle, bewerten muss. Um beim Beispiel Yoga zu bleiben: Manchmal bin ich sehr ängstlich und psychisch sehr angespannt oder kann mich aufgrund körperlicher Unruhe einfach nicht richtig auf die entschleunigende Praxis einlassen. Deswegen war das aber noch lange keine „schlechte“ Session oder verschwendete Zeit. Es war einfach genau so, wie es war und das ist völlig okay! Manchmal gelingt etwas nicht und es gibt keinen Grund sich deswegen schlecht zu fühlen. Es gibt zudem eine Reihe an Dingen, die wir schlichtweg nicht kontrollieren können und es auch nichts bringt, wenn wir das mit allen Mitteln versuchen. Gerade bei unserer Me-Time gilt:

Zeit, die wir uns für uns selbst nehmen, ist immer gut investiert! Egal wie erfolgreich oder produktiv wir dabei sind!

Pass gut auf dein Herz auf, du hast nur das eine!

Deine Jenny

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Ich freu mich auf dich!

Verfasst von

Jenny

Ich liebe Kaffee, Katzen und gute Musik! Ich schreibe für dich über verschiedene Lifestyle-Themen. Und zwar so, wie mir der Schnabel gewachsen ist. Was einzigheartig.de besonders macht, ist der Bezug auf mentale Gesundheit. Hier geht es darum, bei sich anzukommen und seinen Wert zu erkennen. Weil du und ich, wir alle, einzigheartig sind!